Karaokeabend Teil 1 (Truckstop Part 12)

a/n: Und jetzt geht es endlich auch in dieser Serie weiter. Hatte schon riesig Lust drauf, weiterzuschreiben. Diesmal ist es etwas storylastiger. Hoffe, es gefällt!

Aufgelöst stolperte Sofía ins Haus. Sie atmete schwer und ihr war kotzübel. Verdammt! Das hätte schiefgehen können! Um ein Haar wäre ihr schönes Auto Schrott gewesen. Und was sonst noch hätte passieren können… nicht auszudenken. 

„Hey Kleines, was ist denn los?“ Erst jetzt bemerkte sie, dass Barry am Esstisch saß und in einem Katalog blätterte. Na der hatte ihr heute gerade noch gefehlt!

„Hallo“, erwiderte sie halbherzig nett, um nicht komplett unhöflich rüberzukommen. „Wo ist denn Mamá?“ 

Er warf einen Blick auf die Wanduhr. „Sicher jeden Moment da. Ich bin n bisschen früh dran.“

Also hatte er jetzt sogar schon den Haustürschlüssel? Sofía wusste wirklich nicht, ob sie das in Ordnung finden sollte. 

„Aha“, erwiderte sie daher nur und ging zum Kühlschrank, um sich eine Dose Coke herauszunehmen. Auf den Schock brauchte sie Zucker. 

Barry sah sie unverwandt an. „Also, sagst du mir, was los ist? Du kommst mir ziemlich gestresst vor.“ 

Sofía hielt inne. Sollte sie es ihm erzählen? Sie wusste nicht so richtig, ob sie dafür Ärger bekommen würde. Andererseits hatte sie den Ärger diesmal vielleicht sogar verdient… verdammt, was dachte sie denn da?! Sie verbrachte eindeutig zu viel Zeit mit diesen Freaks! 

Seufzend nahm sie ihm gegenüber am Küchentisch Platz. Sie wollte zumindest dabei nicht vor ihm stehen wie bei einem Verhör. 

“Ich habe eben fast nen Unfall gebaut”, gestand sie leise.

“Was?!”, Barrys Stimme war dafür umso eindringlicher. “Warst du etwa wieder beim Fahren am Handy?”

Sofía zuckte zusammen. Die Lektion dazu würde ihr wohl in ewiger Erinnerung bleiben. Sie verfluchte die beschämenden Bilder, die prompt vor ihrem geistigen Auge aufploppten. 

“Bestimmt nicht!”, beeilte sie sich zu sagen und schüttelte dabei unterstützend den Kopf. “Das mach ich wirklich nicht mehr!” 

“Hm, verstehe.” Barry kratzte sich am Bart. “Was war dann das Problem?”

Verzweifelt zuckte Sofía mit den Schultern. “Ich hab gedacht, ich hätte Vorfahrt… aber hatte ich anscheinend nicht. Das andere Auto hat mich wie irre angehupt und ich bin voll erschrocken. Aber auf der Hauptstraße vor unserem Haus kann ich doch fahren, wenn die Ampel grün ist, oder?”, fragte sie dann doch noch einmal sicherheitshalber nach. 

“Du meinst beim links abbiegen?”, fragte Barry, als wäre die Antwort offensichtlich.

“Ja?”, warf sie ein wenig schüchtern ein. Ihr gefiel gar nicht, wie blöd sie sich gerade vorkam. 

“Kleines, beim links abbiegen hast du eigentlich nie Vorfahrt. Wenn du an der Ampel Gegenverkehr hast, bist du diejenige, die warten muss.” Das erklärte Barry ganz ruhig und selbstverständlich. Sofía sah ihn nachdenklich an. 

“Das erklärt einiges.”

“Mit wem hast du denn für den Führerschein geübt?”, hakte er nach. 

„Mit Mamá natürlich. Ich bin zweimal durch die Prüfung gerasselt, aber beim dritten Mal ging alles gut”, erklärte Sofía. Na gut, sie hatte da vielleicht auch ein extra kurzes Röckchen getragen und in niedlichster Marnier erklärt, dass das ihre letzte Chance sei und sie sich jetzt ganz besonders anstrengen würde. Nicht gerade ein Tag, auf den sie mit Stolz zurückschaute. Naja, das Resultat war es wohl wert gewesen.

“Verstehe.” Wieder kratzte sich Barry am Bart. Sofía hatte so eine Idee, was ihm gerade durch den Kopf ging. Ihre Mutter war eine grauenhafte Autofahrerin. Sie hatte eine Vorliebe dafür, in den Kurven aufs Gas zu gehen, jeden wild zu beschimpfen, der ihr beim Fahren auf den Geist ging und rote Ampeln zu ignorieren, wenn sie ihr nicht in den Kram passten. Sowohl ihr als auch Mirabella wurde als Beifahrer regelmäßig übel und sie waren oft genug damit beschäftigt, sie zu beruhigen oder mit ihrer Lieblingsmusik abzulenken. Sofía hatte sich stets vorgenommen, mal eine bessere Fahrerin als ihre Mutter abzugeben. Aber wenn man nur an diesem einen Vorbild lernen konnte, waren die Möglichkeiten irgendwie auch begrenzt. 

“Weißt du, was ich grad denke? Wir sollten da vielleicht n paar Fahrstunden nachholen.” 

Sofía sah Barry überrascht an und schluckte den ersten Impuls, den Vorschlag abzuwehren, herunter. Wenn sie drüber nachdachte, ergab das schon irgendwie Sinn. Wer wusste besser übers Auto fahren Bescheid als jemand, der das beruflich machte? Sie merkte ja selbst genau, wie unsicher sie war. Die gefährliche Situation eben gerade hatte ihr wirklich Angst gemacht. 

Auf der anderen Seite… Barry und sie auf engstem Raum, er brachte ihr was bei und sie musste gehorchen… urgh. Das klang schon wie das sichere Rezept für ein Disaster. 

Sie musste sich schleunigst was einfallen lassen. 

“Das ist vielleicht wirklich keine schlechte Idee. Ich könnte doch Chris oder Louise fragen. Ich meine, mit einem Trucker als Dad haben sie das gute Auto fahren ja quasi schon in die Wiege gelegt bekommen”, erklärte Sofía, wie sie fand, ganz diplomatisch. Einfach tun, als hätte sie nicht verstanden, dass er von sich geredet hatte. Doch was dann geschah, damit hätte sie in hundert Jahren nicht gerechnet.

Barrys Miene fiel in sich zusammen, glatt als wäre er… enttäuscht? 

“Na gut, wenn du meinst. Du solltest da wohl mit Chris reden, Louise hat ja auch gerade erst die Fahrerlaubnis bekommen. Eigentlich sind ja beide noch nicht sonderlich erfahren…” 

Sofía sah ihn groß an. Hatte er sich jetzt echt ganz aufrichtig über den Gedanken gefreut, ihr zu helfen und sie hatte ihn eiskalt abgeschmettert? Und verdammt, warum interessierte sie überhaupt, dass der alte Sack sie jetzt anschaute wie ein getretener Hund? Sie ließ ihre langen Kunstnägel auf die Tischplatte klackern, während sie versuchte, sich zu sammeln..

So übel wie sie zuerst gedacht hatte, war Barry ja gar nicht. Immerhin hatte er ihr an Thanksgiving einen Teil ihrer Strafe erlassen. Und auch sonst war er gar nicht so grob wie sie ihn kennengelernt hatte. Vielleicht… naja… wenn man vernünftig mit ihm redete…

„Oder…“, setzte sie an, in einem ganz schlechten Versuch, sich zu verkaufen, als wäre ihr das gerade erst eingefallen. „Hey, wie wäre es denn, wenn du mir hilfst?“

Augenblicklich wurde er wieder ein Stück größer in seinem Stuhl. „Na aber gerne doch, Sofía! Wir reden noch mit deiner Mom, klar…“

„Sie hat garantiert nichts dagegen“, erwiderte Sofía. Vielleicht wäre sie ein wenig überrascht… aber hauptsächlich wohl begeistert. Sie lag ihr ja immerzu in den Ohren, wie wichtig es war, eine Familie zu werden.

Sofía musterte Barry, der sie aufmunternd anlächelte. Besonders dadurch wurde ihr bewusst, dass sie zum ersten Mal alleine miteinander waren, ohne dass ihr gerade akuter Ärger im Nacken saß. Ab diesem Moment fing die Situation plötzlich an, sich komisch anzufühlen. 

“Und was machst du heute noch so?”, fragte Barry gleichzeitig mit ihrem Satz “Willst du nen Kaffee?”

Er lachte die kurze Verwirrung einfach weg. “Ich nehm gern nen Kaffee, Kleines.” 

“Okay, cool.” Sie erhob sich wieder vom Küchentisch. “Also ich geh heute Abend mit n paar Freunden zum Karaoke”, erklärte sie, während sie die Maschine einschaltete. 

“Klingt ja nett. Sind auch Jungs dabei?” 

Sie rollte mit den Augen. “Wenn das n Verhör wird, erzähl ich gleich gar nichts mehr”, stellte sie klar. 

Barry hob abwehrend eine Hand, als wäre ihm selbst gerade klar geworden, dass er aus alter Gewohnheit heraus gesprochen hatte. 

“Ist gut, ich weiß, deine Mom stört das nicht. Und du bist ja immerhin schon fast 17”, knirschte er, als wären das nun wirklich eher die Worte ihrer Mutter als seine eigenen. 

Sie musste ein wenig grinsen. 

“Du lernst dazu, ich bin beeindruckt”, erklärte sie und stellte eine Tasse unter die Maschine. 

“Hey! Jetzt nicht frech werden”, mahnte er. 

“Okay, okay..  ich meine ja nur… deine Töchter sind so alt wie ich… Chris sogar älter. Ich finde, wenn du schon einsiehst, dass ich kein Kind mehr bin, sollte das auch für die beiden gelten.” 

Er wirkte etwas unzufrieden damit, wie forsch sie das anbrachte, knirschte dann aber “Ist mir klar. Es geht auch nicht drum, dass sie gar nichts anstellen dürfen… sie sollen nur nicht an die Falschen geraten. Nicht irgendnen Mistkerl, die sie ausnutzt und ihr das Herz bricht. Ich weiß doch, wie Jungs in dem Alter sind.” 

Sofía drückte den Bedienknopf und kurz wurde die Kaffeemaschine laut. Passte gut für eine Pause. 

Sofía wartete geduldig, bis der Kaffee durchgelaufen war und stellte ihm dann die Tasse hin.

“Danke”, sagte er und sie setzte sich wieder ihm gegenüber. 

“Aber wenn du’s ihnen verbietest, denkst du doch nicht wirklich, dass sie für immer anständig bleiben?”, fragte sie und er erwiderte prompt “Wieso, weißt du was?!” 

“Selbst wenn”, erwiderte sie. “Sagst du nicht immer, wir Mädchen sollen zusammenhalten?” 

Er brummte etwas Unverständliches und schien wohl genau zu verstehen, dass er auf keinen Fall unterstützen könnte, wenn sie jetzt etwas verraten würde. 

“Wenn du es verbietest, machen sie es heimlich. So einfach ist das. Und wenn man irgendwas heimlich tut, gerät man doch erst recht an shady Dreckstypen.” 

Barry nahm einen großen Schluck Kaffee statt zu antworten. Das musste er wohl erst einmal verarbeiten. Sofía hielt jetzt wohlweislich die Klappe. 

Zum Glück klingelte ihr Handy und lenkte sie ab. Sie holte es heraus und schaute darauf. Ah, Jake. Sie hob ab. 

“Hey, ja?” 

“Heyhey, geilste Frau der Welt”, erwiderte dieser und sie stand lieber mal vom Tisch auf und nahm ein paar Schritte Abstand. Hoffentlich hatte Barry das nicht gehört. 

“Muss dir was sagen, die Jungs lassen sich so gar nicht für Karaoke begeistern. Die wollen lieber bowlen gehen. Das wird also nichts.”

“Ist jetzt nicht dein Ernst! Boah Jake, seit Wochen versuch ich dich zu überreden und jetzt sagst du mir, wir machen das nicht?” 

“Wir können ja… dann gehen wir eben nur mit Elena.”

“Du weißt genau, dass Karaoke mit nur drei Leuten total scheiße und witzlos ist”, schoss Sofía zurück. Sie warf einen flüchtigen Blick auf Barry, der sie ansah, als würde er ihre Wortwahl doch sehr beanstanden. Also nahm sie noch ein paar Schritte Abstand in Richtung Wohnzimmer. 

“Und wenn du ein paar von deinen Freundinnen fragst?”, schlug er vor. 

“Ja na gut… ich versuch’s”, erklärte sie etwas missmutig. Mit den Jungs war es einfach lustiger. Die grölten eben hemmungslos herum, während die meisten Mädchen versuchten, gut zu klingen oder beleidigt waren, wenn eine besser sang als die andere.

“Alles klar, meld dich, wenn du was Neues weißt.” 

“Klar. Bis dann.” Sie legte auf und tippte mit dem Handy gegen ihre Lippen. 

Da gab’s noch ein Problem: Irgendwie hatte sie es noch nicht über sich gebracht, Elena zu erzählen, was da letzte Woche zwischen Jake und ihr passiert war… Ihre beste Freundin nannte Jake pausenlos einen schwanzgesteuerten Idioten. Selbst wenn sie damit vielleicht nicht ganz Unrecht hatte, wusste Sofía eben, dass vieles davon nur Fassade und seine komische Art von Humor war. Sie wusste echt nicht, wie gut Elena das aufnehmen würde… ganz abgesehen davon, dass Sofía dann Rede und Antwort stehen müsste, was das zwischen Jake und ihr jetzt war und verdammt, sie hatte doch selbst keinen Plan. In einer größeren Gruppe, so hatte sie zumindest gedacht, könnte sie dem ganzen Thema noch etwas aus dem Weg gehen. Aber wenn sie da zu dritt saßen? Sie musste dringend ein paar mehr Leute zusammenbekommen. 

Hektisch öffnete sie den Gruppenchat und schrieb den anderen Mädchen aus ihrer Clique. 

‘Hey, heute Abend Karaoke, wer ist dabei? Ich spendier ne Runde Drinks.”

Fast sofort flatterten die Antworten herein.

“Sorry, hab schon was vor 🤷🏼‍♀️

“Ich werde auch nicht dabei sein, sorry, S 🙁

“Liz und ich gehen mit den Jungs bowlen, deswegen auch von uns leider nein. Aber ihr könnt bei uns mitkommen 😘”

Sofía ließ das Smartphone mit einem “Vaya mierda!” sinken. Nein, sie wollte sich davon jetzt nicht den Karaoke- Abend versauen lassen. Aber sie wusste gerade nicht, wie sie das Ruder noch rumreißen konnte. Frustriert kehrte sie in die Küche zurück, um den letzten Schluck Cola aus der Dose zu trinken. 

“Na, wo drückt der Schuh?”, fragte Barry. 

“Mamá ist wohl immer noch nicht da”, seufzte Sofía, ließ sich dann aber erneut auf den Stuhl sinken. Keine Ahnung, warum sie ihm das erzählen sollte, aber weh tun würde es ja auch nicht. 

“Ich will schon ewig zum Karaoke und jetzt haben alle bis auf Jake und meine beste Freundin abgesagt.” 

“Hm, Louise ist heute Abend auf ’nem Geburtstag eingeladen, aber Chris sollte nur ne Freundin zu Besuch haben. Frag doch die zwei.” 

“Ach ja?”, erwiderte Sofía, zuerst nicht sonderlich überzeugt, überlegte dann aber noch einmal.  Chris und sie waren jetzt nicht gerade Freundinnen, aber zumindest beim Abschmücken letzte Woche hatten sie sich doch ganz gut verstanden und sie hatte sogar ein paar interessante Dinge übe Chris erfahren. Alleine aus dieser Neugierde heraus war sie schon versucht, den Vorschlag anzunehmen. 

“Wieso eigentlich nicht… wenn sie Lust haben?”

“Fragen kostet ja nichts”, sprach Barry aufmunternd, da ging die Haustür auf und Mamá kam herein gehetzt. 

“Sorry für die Verspätung, Liebling. Was für ein Verkehr! Ich schwöre dir, da draußen fahren nur Idioten herum!” Maria warf die Tasche beiseite und bemerkte dann Sofía.

“Mi Vida, du bist ja auch schon daheim”, lächelte sie. “Wie schön, habt ihr euch ein wenig unterhalten?” 

“Ganz gut, ja”, bestätigte Barry und Maria strahlte. Sie küsste erst Sofía beide Wangen ab und begrüßte dann Barry mit einer stürmischen Umarmung.

“Ich geh dann mal hoch”, sagte Sofía nur und fügte gedanklich “bevor ich kotze” hinzu, dann machte sie sich eilig aus dem Staub. Schon auf dem Weg die Treppe hinauf wählte sie Chris’ Nummer. 


Pünktlich wie immer klingelte Jake an der Haustür. 

“Ich geh schon!”, rief Sofía und eilte die Treppe herab. Mit großen, goldfarbenen Ohrringen, Overknee-Stiefeln, einem Minirock aus Fake-Leder und einem Pullover mit Top darunter, falls es nachher zu warm werden sollte, fühlte sie sich bestens für den Abend vorbereitet und jedem Zweifel erhaben, die Bestaussehendste der Gruppe zu sein 

Sie öffnete Jake die Tür, der prompt durch die Zähne pfiff. “Wie gut siehst du bitte aus!” 

Seit sie in die Pubertät gekommen war, machte er ihr solche Komplimente, doch irgendwie fühlte es sich in der aktuellen Situation vollkommen anders an. Zumal die Locken, die ihm in die Stirn fielen und seine Gesichtszüge, die allmählich markanter wurden, ihn auch nicht gerade schlecht aussehen ließen. War er sogar noch ein Stück gewachsen? Jedenfalls überspielte sie rasch ihre Verlegenheit mit einem entschlossenen “Na los, verschwinden wir, bevor Mamá oder Barry dich abfangen.” 

“Guten Abend, junger Mann”, hörte sie es da hinter sich brummen. Och nö…

“Guten Abend, Mr. Patton”, grüßte Jake vermeintlich unbefangen zurück. Doch Sofía, die ihn gut kannte, spürte seine Nervosität gleich mit. 

“Du gehst heut Abend also mit Sofía und meiner Tochter aus.” 

“Ich werde sie unbeschadet zurückbringen, Sir”, versprach Jake prompt. “Alle beide.” 

“Besser ist’s. Diese Karaokebar… das ist doch keine Bar, wo man was zu Trinken kriegt, hoffe ich?” 

“Nicht ohne gefälschten Ausweis”, erwiderte Jake und bekam dafür von Sofía den Ellenbogen in die Rippen gerammt. 

“Lass deine blöden Witze, du Depp, der versteht keinen Spaß”, zischte sie ihm zu. 

“So ist das nun auch nicht”, musste Barry natürlich direkt offensichtlich machen, dass er sie gehört hatte. “Aber ich meine da was wirklich ganz und gar ernst. Ich will nicht, dass ihr trinkt. Haben wir uns verstanden?” 

“Ja Sir, klar und deutlich”, erwiderte Jake nun übertrieben ernst und Sofía hätte ihm dafür gerne glatt wieder eine gegeben. 

“Barry, ich trinke nicht”, erklärte sie dann rasch. “Ich mag sowas überhaupt nicht. Und Jake auch nicht.” 

“Na schön”, erwiderte Barry, schon ein wenig beschwichtigt. “Dann habt Spaß. Aber um 10 seid ihr daheim.”

“Sind wir”, versprach Sofía. “Bis dann.

“Einen schönen Abend noch, Sir”, nickte Jake und salutierte, ehe er ihr folgte. Sie spürte Barrys Blick im Nacken, als sie zum Auto liefen. 

“Du bist echt unmöglich!”, schimpfte sie und stieg dann augenrollend in den Wagen. 

“Er kennt meinen Jake-Charme ja noch nicht voll und ganz”, erklärte Jake schulterzuckend. “Wenn du mich fragst, ist er außerdem gar nicht so übel.”

Sofía fuhr herum “Nicht so übel? Nicht SO ÜBEL?! Der Kerl hat mich schon mehr als einmal durchgedroschen, dass ich Tage nicht sitzen konnte! Hast du mal seine Hände gesehen?! Da ist eine so groß wie mein ganzer Unterarm! Stell dir mal vor, damit den Arsch versohlt zu bekommen!”

“Ist ja gut”, wehrte Jake ab und murmelte “Kleinere Hände können auch verdammt weh tun, weißt du.” 

Sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu und biss sich auf die Lippe um nicht zu grinsen. Ja, sie wusste schon… Seine Mom war eine wirklich herzensgute Frau, aber sie wenn man sie so richtig auf die Palme brachte – worin Jake zweifellos Weltklasse war – konnte sie auch ganz andere Saiten aufziehen. Er hatte zwar nie so wirklich etwas darüber erzählt und tat seit ein paar Jahren, als sei das Thema sehr weit weg von ihm, aber sie war gar nicht mal so sicher, ob Jakes letzter Hintern voll von seiner Mutter nicht in Wahrheit gar nicht mal so lange her war.

Naja, sie war nett genug, nicht darauf einzugehen. Sie drehte den Zündschlüssel im Schloss und sagte:

“Erzähl mir jedenfalls nichts. Dieser Kerl ist gemeingefährlich. Also reiß dich gefälligst zusammen, wenn er mit dir redet.” 

“Hast du Angst, dass ich es mal abbekomme?”, fragte Jake halb im Scherz.

“Eher nicht, auch wenn ich’s dir mal von Herzen gönnen würde”, schoss sie zurück.

Er drückte sich im Sitz zurück “Oha! Wie gemein!” 

Nun musste sie wirklich lachen. “Also… Chris und ihre Freundin kommen direkt zur Mall. Hast du noch wen überreden können?”

“Tatsächlich, ja. Holly kommt noch.”

Sofía wäre vor Schreck fast in die Eisen gestiegen. Holly?! Ausgerechnet Holly? Die kleine Schlampe, die Jake an Halloween angetwerkt hatte? Die dafür bekannt war, mega leicht zu haben zu sein? Die sich gerade von ihrem Freund getrennt hatte, mit dem sie eh nur nen Monat zusammengewesen war? Sofía spürte, wie ihr Blut in Wallung geriet. Aber sie konnte ihm doch jetzt keine Szene machen. Da würde sie direkt wie seine eifersüchtige Freundin rüberkommen, er würde denken, der Kuss hätte etwas zu bedeuten und… ja was eigentlich? Ach, sie war so verdammt überfordert mit dieser ganzen Situation!”

“S., pass auf, rot!”

Gerade noch so ging Sofía in die Eisen. Die Ampel hatte sie in Rage gar nicht bemerkt!

“Whow… du hast echt das Fahren bei deiner Mom gelernt”, murmelte er. 

“Erzähl mir was Neues!”, fuhr sie ihn an. “Aber sag mal, warum denn ausgerechnet Holly?”

Jake zuckte mit den Schultern “Ich habs in die Gruppe geschrieben und sie hat als einzige Ja gesagt.” 

“Was für ne Gruppe ist das denn?”, fragte Sofía skeptisch.

“Die vom Footballteam und den Cheerleadern.”

“Ach so, also “Die Footballmannschaft und jedes Mädchen, das von ihr durchgefickt wurde”, ja? Was machst du da überhaupt drin?” 

“Ich bin Ersatzspieler, weißt du doch”, erklärte Jake etwas beleidigt. Hatte sie tatsächlich vergessen. Er war, soweit sie wusste, noch nie bei einem Spiel im Einsatz gewesen. 

“Ach so. Also ist das so ein ‘Cheerleader und Sportler’-Ding, ja?” 

“Was willst du überhaupt? Du hast doch gesagt, ich soll Leute zusammenkriegen, weil es sonst langweilig ist.” 

“Ja, aber doch nicht noch ein Mädchen!” das offensichtlich scharf auf dich ist, fügte sie in Gedanken hinzu. 

“Ich find Holly ganz witzig”, erklärte Jake schulterzuckend. “Sie ist nett und wird sich mit allen verstehen.” 

Sofía verkrampfte sich am Lenkrad. Witzig war sie also. Und nett. Schon klar. Und sie war ne humorlose Zicke. Sie sagte nun gar nichts mehr, weil sie wusste, dass sie sonst explodieren würde. Er wusste zwar offensichtlich null, was los war, schwieg aber ebenfalls. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, wann man sie besser in Ruhe ließ. 

Zum Glück erreichten sie wenig später auch schon den Parkplatz der Mall, in der sich auch die Karaokebar befand. Auf dem Weg ins Innere hatte ihre Anspannung schon etwas nachgelassen und sie redeten wieder über Belanglosigkeiten, Sofía lockerte sogar so sehr auf, dass sie über einen seiner blöden Witze lachte. 

Als sie die Bar erreichten, sah sie schon von weitem, dass Chris davor stand und wartete. Durch ihre Statur war sie nur schwer zu übersehen. Und  neben ihr… Moment… das war die Freundin, die sie dabei hatte? Verdammt, das war heute echt ihr Unglückstag! Diese kleine Bitch, die Jake letztes Mal so angeglotzt hatte. Sofía war ganz ehrlich zum Heulen zumute. Doch als sie näher kamen, rief sie “Hey!” und fiel ihr einfach so in die Arme. Etwas überrumpelt ließ Sofía das zu.

“Wir kennen uns ja schon!”, erklärte das Mädchen munter. 

“Ja, Samantha, richtig?”, fragte Sofía. 

“Samantha oder Sam, genau. Richtig cool, dass ihr uns eingeladen habt. Ich liebe Karaoke!” 

Was war denn mit der los? Gegen das letzte Treffen war sie ja wie ausgewechselt. 

“Okay… ja, cool, dass ihr gekommen seid. Jake kennst du ja auch.”

“Oh ja, er kennt mich anscheinend ziemlich gut”, grinste Sam und Chris neben ihr zischte mahnend “Sam!”, dann begrüßte sie beide mit Handschlag. “Ich war noch nie bei einem echten Karaoke. Ich halte mich dann erst mal höflich im Hintergrund…”

“Du musst singen!”, fand Sam und hängte sich an Chris’ Arm. “Das wird superlustig, komm schon.”

“Elena kommt auch gleich”, erklärte Sofía mit Blick auf ihr Handy. Sie war jetzt ein bisschen beruhigt. Der zweite Eindruck von Sam schien ja echt deutlich angenehmer zu sein. Und Jake glotzte sie auch nicht mehr so blöde an. Er wusste schon warum. 

“Okay, sind wir dann mit ihr vollständig?”, fragte Chris, da hüpfte dieses blonde Etwas von hinten an sie heran und rief schrill “Hi!” Holly… 

Mit ihren kurzen Zöpfen und dem knappen Röckchen wirkte sie ja sowas von wie der feuchte Traum von irgendwelchen alten Pedos. Sofía musterte sie abschätzig. 


“Richtig witzig, die Idee mit dem Karaoke. Hi Sofía. Danke fürs Einladen, Jake!” Sie sprang ihm in die Arme, noch ehe er ein Wort sagen konnte. 

“Äh… ja klar”, sagte er nur etwas überrumpelt und entwand sich rasch wieder. Bei Sofías Todesblick wohl kein Wunder. Holly schien das nicht groß zu kümmern. Sie drehte sich nun zu den anderen beiden um “Wir kennen uns glaube ich noch nicht.”

“Nein, ich bin Chris, Sofías Stiefschwester in spe wenn man so will. Und das ist meine Freundin Samantha.”

“Oder Sam”, ergänzte diese.

“Süß. Krass, von Weitem dachte ich echt erst, du wärst ein Kerl”, erklärte Holly. Ganz ohne jede Bosheit in der Stimme sagte sie das. Sie schien einfach nur ein bisschen blöde zu sein. 

Sofía sah, wie Chris das Lächeln aus dem Gesicht gewischt wurde und bekam prompt Mitgefühl. Was für eine dämliche Kuh! 

“Chris ist echt die stärkste Frau, die ich kenne. Sie hat mich mal mit einem Arm hochgehoben”, erklärte sie prompt. 

Holly staunte beeindruckt.

“Kannst du das auch mal mit mir machen?”

“Vielleicht später”, knirschte Chris, während Sam, die noch immer an ihrem Arm hing, ihr darüber strich und sie besorgt zu mustern schien.

“Ah, da kommt Elena”, stellte Jake fest. Diese hatte sich nur Sam vorzustellen und hängte sich danach rasch an Sofía. “Wow, interessante Truppe”, flüsterte sie ihrer Freundin zu. “Bin gespannt, was das noch gibt.”

“Ja… ich auch”, murmelte Sofía, während sie die Bar betraten. “Ich auch.” 

Fortsetzung folgt

Als kleines Goodie noch ein KI-generiertes Bild von Samantha. Eine Zeichnung wird auch noch folgen

12 Kommentare zu „Karaokeabend Teil 1 (Truckstop Part 12)

  1. Sofia, Samantha und Holly… und dazu noch Jake in einer Viereckbeziehung. Dazu dann noch Barry, der wahrscheinlich unentspannt alle zwei Minuten auf die Uhr schaut.

    Das scheint echt mal ein spannender Abend zu werden.

    Gefällt 2 Personen

    1. Ja, Sofia wird es da mit ihrer Eifersucht nicht leicht haben, so viel steht fest

      Und Barry hat den Finger auf allem… Ich hoffe, es wird so spannend wie ich es mir vorstelle 😁

      Glg

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  2. Ah, ein Setup, das ganz viel Drama verspricht. Und vielleicht sogar mehr als einen verhauenen Po. Du beschreibst schön, wie Sofía durch ihre Gefühle für Barry und für Jake navigiert. Und für Jake geht wohl ein Traum in Erfüllung, in Begleitung von so vielen Mädels.

    Ich freue mich schon auf Teil 2.

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    1. Mal schauen! Hatte schon Hemmungen, weil die versohlten Pos hier so auf sich warten lassen, aber ich denke, das sind meine Leser inzwischen gewohnt 😅

      Bin gespannt, wie er ankommt

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  3. Die perfekte Wohlfühlgeschichte für einen verregneten Sonntagnachmittag auf dem Sofa. Danke dafür. Dennoch, bleibt es äußerst spannend, weil sich die Geschichte in so vielen diversen Richtungen entwickeln kann, und ich wiederrum keine Vorstellung habe in welche ;-). Allerdings könnte ich mir gut vorstellen, dass Chris und Sam ein Paar sind. Ist dies Chris angedeutetes Geheimnis in deiner vorletzten Story, was den guten Barry zum ausflippen bringt? Wobei ich das nicht glaube, denn Barry ist in gewissen Dingen sehr fortschrittlich und liberal. Den Spannungsbogen hast Du perfekt hinbekommen, bin sehr gespannt wie es weitergeht und freue mich schon.

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    1. Ach das hört man doch gerne 🙂 mir hat das Schreiben jedenfalls auch sehr viel Spaß gemacht. Nein, ich glaube auch, die diversen Entwicklungen der nächsten Kapitel sind größtenteils eher weniger vorhersehbar. Wer weiß, passen würde es, nicht? 😉 Ich reibe mir zufrieden die Hände wenn es so gut gelingt, diesen Bogen zu halten

      Glg
      Rbg

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  4. Kleine Anmerkung noch: Holly kam bereits vor, hieß in den letzten Teilen aber Chelsea. Ich habe ihren Namen geändert, weil ich fand, dass „Chris“ und „Chelsea“ dann wieder zu ähnlich aussieht beim Lesen. Das war jedenfalls die junge Dame, die an Halloween Harley Quinn war und mit Jake und dann Sofia getanzt hat 🙂

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  5. Da bin ich ja echt mal gespannt, wie es weitergeht. Das Damoklesschwert eines Hinternvolls scheint ja mit Ausnahme von Holly über allen zu schweben.

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