Buße (Truckstop Part 17)

a/n: Und lange erwartet nun der neue Truckstop-Teil. Diesmal, wie ich behaupten würde, etwas weniger erfreulich. Trotzdem hoffe ich, es gefällt! Ich möchte noch anmerken, dass dies hier eine rein fiktive Geschichte ist und ich nicht die Absicht habe, hiermit irgendetwas Tiefgehendes im Bezug auf Religion und Glauben zu transportieren.

Chris vergrub die Hände in dem karierten Stoff ihres Faltenrocks. Wie sie dieses verdammte Teil hasste! Privat käme sie nicht im Traum darauf, etwas anderes als Hosen zu tragen, aber hier an der St.Ives waren die Schuluniformen streng vorgeschrieben und daran gab es nichts zu rütteln. Genau so wenig wie an den vielen anderen Regeln. Das war ihr heute, da sie das absolute Tabu gebrochen hatte, mehr bewusst denn je. Nervös sah sie zu Sam, deren Stuhl weit weg von ihrem stand, als könnten sie noch hier, mitten im Direktorzimmer, auf die Idee kommen, weitere Dummheiten anzustellen. Die Augen ihrer Freundin waren mit Tränen gefüllt, die unaufhörlich ihre Wangen hinab liefen. Offensichtlich war sie vollkommen verängstigt.

“Eure Väter werden gleich hier sein”, erklärte die Direktorin Miss Jones mit kühler Stimme. 

Keine der beiden jungen Frauen gab ihr eine Antwort darauf. Chris konnte ohnehin nur daran denken, dass sie rüber zu Sam wollte, um sie in den Arm zu nehmen und ihr zuzuflüstern, dass alles gut werden würde. Dabei wusste sie selbst nicht mal, ob es stimmte. 

Sie hatten es verkackt. So richtig. In letzter Zeit hatten sie sich so wohl miteinander gefühlt und da waren sie irgendwie leichtsinnig geworden. Seit sie Sofía von ihnen beiden erzählt hatte, waren ihre Schutzmauern nach und nach gebröckelt. Sam war eigentlich seit Anfang ihrer Beziehung sehr anhänglich und offensiv gewesen. Chris hatte immer etwas mit der Zuneigung hinterm Berg gehalten, aus der Sorge heraus, in Teufels Küche zu kommen. Seit ihre Familie es wusste, war das anders geworden und jetzt hatten sie den Salat.

Die Direktorin starrte beide missbilligend an, während sie mit den Fingern wild auf die Tastatur ihres Computers einhämmerte. Chris fühlte sich, als würde all der Zorn des strengen Glaubens auf sie einprasseln. Sams Schluchzer waren leiser geworden. Als sich Chris einen flüchtigen Blick erlaubte, sah sie, wie diese stumm und ausdruckslos auf den Boden starrte. Sonst war sie so lebhaft, da fühlte sich dieser Anblick besonders bitter an. Verdammt, kein Wunder! Samanthas Vater würde ihr die Hölle heiß machen. 

Was hatte sie beide heute nur geritten? Wochenlang hatten sie sich zumindest mit heimlichen Küssen begnügt. Was blieb ihnen auch übrig? Seit Sams Hausarrest sahen sie sich nur noch in der Schule. Und das jeden Tag. Das machte die Sehnsucht nach mehr nur schlimmer und schlimmer. 

Sie waren kreativ geworden, hatten versteckte Orte gefunden und dort das Versäumte nachgeholt. Beim Klassendienst, nachdem die anderen Schülerinnen den Raum verlassen hatten, im Gebüsch nach Unterrichtsschluss, in der Abstellkammer neben alten Bibeln. Doch über Geknutsche war das nicht hinausgegangen. Chris war extrem vorsichtig gewesen und hatte Sam bei jedem kleinsten Geräusch widerwillig Einhalt geboten. Natürlich hatte das auch einen nicht zu verachtenden Nervenkitzel mit sich gebracht. Nach jeder Erleichterung, dass sie unentdeckt blieben, hatten sie gekichert und ihr in den Augen der Schule so tief sündhaftes Treiben fortgesetzt. 

Es klopfte an der Tür. Beide jungen Frauen saßen plötzlich aufrecht und starrten dorthin wie ein Reh in das Scheinwerferlicht. 

“Herein”, sprach die Direktorin und erhob sich von ihrem Platz. Ein strenger Blick von ihr genügte, dass Sam und Chris nachzogen. 

Es war Dad. Er trat herein, sein Blick ausgesprochen ernst. Chris spürte, wie ihr das Herz in die Hose rutschte. 

“Mr. Patton. Gut, dass Sie es so schnell einrichten konnten. Bitte, setzen Sie sich”

Angesprochener näherte sich dem ausladenden Schreibtisch und nahm direkt zur Linken seiner Tochter Platz. Auch Chris setzte sich wieder auf den Stuhl. Sie traute sich nicht, ihn anzusehen. 

“Also?”, fragte er mit ruhiger Stimme. Die Direktorin schaute ihn ebenfalls mit tiefem Ernst im Blick an.

“Ich habe Ihnen am Telefon ja bereits kurz geschildert, worum es geht. Dieser Vorfall erschüttert unsere Institution zutiefst, wie sie sich denken können.” Er schwieg zur Antwort, also setzte sie fort. “Ich werde Ihnen berichten, was sich zugetragen hat. Unsere sehr geschätzte Schwester Esther war heute Mittag im obersten Stockwerk unterwegs, als sie bemerkte, dass die Luke, die zum Dachboden führt, einen Spalt offen stand. Als sie sich daran machte, sie zu schließen, hörte sie… Geräusche, die ihr seltsam erschienen.” Die Direktorin schien sich einen Moment sammeln zu müssen, allein bei dem bloßen Gedanken, was die Schwester dort gehört haben mochte, ehe sie fortfuhr. “Sie zog also die Treppe aus, kletterte nach oben und… Die Ärmste erholt sich noch immer von diesem verstörenden Anblick.” 

Chris’ Wangen brannten vor Scham. Wie hatten sie nur nicht mitbekommen können, dass jemand diese quietschende alte Leiter hochkam? Naja, wenn sie ehrlich war, wusste sie es… Sam und sie hatten sich nach all den Wochen und der aufgestauten Lust aufeinander an diesem vermeintlich sicheren Ort so richtig gehen lassen. Nach all dem umständlichen Gefummel, um sich unter den Klamotten berühren zu können, hatten sie sich endlich hungrig nacheinander gegenseitig selbiger entledigt. Als sie erwischt worden waren, sie mit dem Gesicht zwischen Sams Beinen, gab es keine auch nur ansatzweise glaubhafte Ausrede. 

“Nun, abgesehen davon, wie die Zukunft Ihrer Tochter in unserer Institution aussehen mag, Schwester Esther hat bereits die nötigen Maßnahmen ergriffen, um einen Bruchteil der so bitter nötigen Läuterung möglich zu machen.”

Dieses alte Dragonerweib hatte losgekrischen und Chris am Ohr von Sam weggezerrt. Nach ein paar heftigen Ohrfeigen hatte sie sie im Stehen über ihr aufgestelltes Bein gezogen und so fest auf ihren Hintern eingeprügelt, wie ihre kleine, knochige Hand es nur hergegeben hatte. “Ihr sündigen, sündigen Mädchen!”, hatte sie dabei unentwegt wiederholt. Vor lauter Zorn waren ihre Schläge nicht sehr präzise gewesen und auch Chris Oberschenkel hatten eine Menge abbekommen. Nicht, dass das jetzt noch eine Rolle spielte. 

“Ihre Tochter war jedoch extrem uneinsichtig und ließ nicht einmal zu, dass unsere gute Schwester ihr Werk vollständig verrichten konnte.” 

Schließlich hatte Esther von ihr abgelassen und sich Sam schnappen wollen. Noch immer splitternackt – in diesem Moment war ihr ohnehin schon alles egal gewesen- hatte sich Chris vor ihre Freundin gestellt und der Schwester klar gemacht, dass sie ihr kein Haar zu krümmen hätte. “Es ist meine Schuld. Ich hab sie dazu verführt. Wenn Sie jemanden bestrafen wollen, dann mich!” Chris hörte ihre eigene Stimme in ihrem Kopf und fragte sich, ob man das Zittern darin nach außen hin hatte hören können. 

Egal wie, zumindest für den Moment war Esther zurückgewichen. Ihr war wohl klar geworden, dass sie sich in dieser Situation nicht körperlich mit einer Frau anlegen wollte, die zwei Köpfe größer und doppelt so breit war wie sie- Sünde oder nicht. Doch sie hatte sich schnell gefangen und beiden ernst ins Gesicht geblickt. “Diese Lüsternheit muss man euch beiden austreiben. Gott steh euch bei! Zieht euch an und folgt mir ins Zimmer der Nachdenklichkeit.”

“Nun”, setzte die Direktorin fort. “Zumindest war ihre Tochter folgsam genug, Schwester Esther ins Strafzimmer zu folgen. Die Schwester brachte die beiden Mädchen dorthin und erstattete dann zunächst mir ordnungsgemäß Bericht. Keine Sorge, natürlich harrten dort beide unter strenger Aufsicht ihrer gerechten Strafe.”

Eine andere Schwester hatte in der Tür gestanden und beide im Blick behalten. Ihre Augen waren voller Mitleid gewesen. Doch die Direktorin hatte nicht lange auf sich warten lassen. Ihre Stimme dröhnte noch immer in Chris’ Ohr, wie sie ihnen eine flammende Rede über Unzucht und die Sünde der Fleischeslust hielt und Worte aus der Bibel zitierte, dass sich Männer nicht zu Männern zu legen hätten. Sie hatte ihnen erklärt, dass es für sie beide noch nicht zu spät sei und sie durch Gebete und strenge Buße ihre auf wackeligen Beinen stehende Zukunft voller Unzucht womöglich noch retten könnten. Für letzteres würde nun sie sorgen. 

Diesmal hatte Chris nichts ausrichten können. Samantha hatte sich über den Prügelbock legen müssen und die Höchststrafe erhalten – 24 Hiebe mit einem dicken Rattanstock. Ihre schmerzerfüllten Schreie hatten Chris schier das Herz gebrochen. So oft musste sie sich beherrschen, nicht dazwischen zu gehen, doch die Direktorin hatte ihr klar gemacht, dass wenn sie auch nur einen Finger krümmte, Sam die Konsequenzen dafür tragen würde. 

“Zunächst habe ich beiden Mädchen klar gemacht, wie ihr Leben verlaufen wird, wenn sie weiter diesem sündigen Pfad folgen. Auch sie sollten darüber zuhause noch einmal ein ernstes Gespräch führen.”

Dad kommentierte das nicht. Die Direktorin fuhr also fort. 

“Anschließend folgten die nötigen Konsequenzen. Immerhin verhielt sich ihre Tochter bei Miss Turners Strafe mit dem Stock ruhig. Auch ihre eigene hat sie akzeptiert. Immerhin das, nach all ihrem ungebührlichen Verhalten. Sie hat wohl verstanden, dass sie eine Sünderin ist und Buße zu leisten hat.” 

Chris schluckte. Gerade bei der Erwähnung fühlte sie die schmerzenden Striemen wieder besonders deutlich aufflammen. Unbehaglich rutschte sie auf dem Stuhl herum. Es hatte sie alles an Beherrschung gekostet, einigermaßen tapfer zu bleiben. Sie war einiges gewohnt, immerhin saß bei ihrem Dad die Hand durchaus locker. Aber nichts, absolut nichts war vergleichbar mit der Tracht Prügel mit dem Rattanstock, die sie heute hatte einstecken müssen. 

Hieb um Hieb war gnadenlos auf ihren ungeschützten, nackten Hintern gezischt, jeder Einzelne hinterließ das brennend heiße Gefühl dicker Striemen, jeder Einzelne hatte ihren Körper aufbeben lassen und ihre Backen aus der Form gebracht.

Die Direktorin hatte gnadenlos zugeschlagen, präzise, geübt. Irgendwann hatte Chris das Mitzählen im Kopf aufgegeben. Obwohl sich Miss Jones nach jedem aufgebrachten Hieb einen Moment Zeit gelassen hatte, war der Schmerz so überwältigend gewesen, dass alles irgendwann ineinander verschwommen war. Die Beherrschung, mit der sie sich der drakonischen Strafe gestellt hatte, hatte ihr Übriges getan. Irgendwann brummte ihr Kopf davon und ihr war schwindelig geworden. Doch das war es wert gewesen. Sie hatte diesen Arschlöchern nicht noch die Genugtuung geben wollen, sie gebrochen zu haben.

Doch leider hatte sie zu früh durchgeatmet, als die Direktorin endlich fertig mit ihr gewesen war. Ihre Kehrseite brannte und pochte wie die Hölle und Tränen, die sie allein körperlich nicht hatte zurückhalten können, waren vor ihr auf den Boden getropft.

Schwester Esther hatte der Direktorin etwas zugeflüstert und im nächsten Moment waren diese schrecklichen Worte an ihr Ohr gedrungen, die ihr Schicksal als bisher tapfere Delinquentin besiegeln sollten. 

“Wie du dich vorhin Schwester Esther gegenüber verhalten hast, ist in höchstem Maße inakzeptabel. Daher wird sie dir nun noch eine Erinnerung geben, wie du dich zu verhalten hast, wenn deine Klassenkameradin ihrer gerechten Strafe zugeführt werden soll.” 

Schwester Esther war also hinter sie getreten, den Stock im Anschlag wie eine Waffe. Es waren nur drei weitere Hiebe gewesen. Doch sie waren präzise auf ihre Sitzfläche aufgebracht worden, direkt auf die gleiche Stelle. Und schon bei dem zweiten waren alle Dämme bei Chris gebrochen und sie hatte ihren Schmerz hemmungslos herausgeschrien. In die selbstzufriedenen Gesichter der beiden vermeintlichen Autoritätspersonen, die sie zu sehen bekam, als sie sich schwergängig von dem Strafbock erhob, hätte sie am liebsten hineingeschlagen. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals jemanden in ihrem Leben so gehasst zu haben wie die beiden Frauen in diesem Moment. 

Diesen Teil ließ die Direktorin bei ihrer Schilderung aus. Das wunderte Chris kein bisschen. 

“Also, Mr. Patton. Ihnen ist hoffentlich klar, dass ich Ihre Tochter und Miss Turner umgehend der Schule verweisen müsste. Doch wir an der St. Ives glauben fest an Buße und Vergebung. Daher lassen Sie uns Optionen besprechen.” 

Dad räusperte sich. Chris konnte ihn nicht anschauen. Sie starrte stattdessen auf ihre Hände. 

“Sind sie fertig?”, fragte er. 

“Wie bitte?”, erwiderte die Direktorin. 

“Nun, vielen Dank für ihre bildliche Schilderung. Dazu habe ich so ein paar Gedanken.” 

Chris schaute flüchtig auf. Die Direktorin versteifte sich. Es war offensichtlich, dass der Tonfall ihres Vaters ihr gerade gehörig gegen den Strich ging. Oder alleine schon, dass er sich nicht überschlug vor Entschuldigungen.

“Ich habe Ihre Schule eigentlich mal für eine ordentlichen Ort gehalten, an dem meine Mädchen in einem strukturierten, aber sicheren Rahmen fürs Leben gewappnet werden. Wenn allerdings zwei volljährige Mädchen, die sich lieben, ihre Institution, wie sie sie so schön nennen, in ihren Grundmauern erschüttern, frag ich mich doch, wie stabil diese Mauern sind.” 

Chris’ Kopf fuhr hoch. Ihr Vater wirkte ruhig, doch sie kannte ihn besser. 

“Mr. Patton! Ich muss doch sehr bitten.”

“Nein. Sie hören jetzt mal mir zu. Meine Tochter ist ein anständiges Mädchen mit einem guten Herzen. Hätten Samantha und sie mitten in der Schule Sex haben dürfen? Eindeutig nein. Heißt das, dass sie irgendwie krank oder pervers sind und geläutert gehören? Ebenfalls nein. Kommen Sie erst mal im 21. Jahrhundert an, bevor Sie meine Tochter dermaßen schlecht reden und ihr mit einer Zukunft in der Gosse drohen.” 

Chris starrte ihren Dad erstaunt an. Er legte seine Hand auf ihre.

“Egal was sie tun oder sagen, ich stehe hinter meinem Kind. Habe es immer.” 

“Mr. Patton!”, rief die Direktorin empört aus. “Ich bitte Sie, Sie vergessen sich. Außerdem, wollen Sie mir damit etwa sagen, dass Sie von dieser Verbindung wussten?”

“Verdammt richtig. Und ich habe ihr dazu gratuliert, wie jeder anständige Christ, der etwas von Nächstenliebe versteht, es tun sollte.” 

Die Direktorin schnappte entsetzt nach Luft.

“Aber keine Sorge. Es sind zwar nur noch vier Monate bis zu Christinas Abschluss, aber die wird sie garantiert nicht auf Ihrer Schule verbringen. Sehen Sie das als unsere Kündigung.”

“Gut”, stieß Angesprochene inzwischen reichlich blass um die Nase aus. “Ich werde Sie auch keine Minute länger auf unserem Schulgelände dulden.” 

“Wir wollten eh gerade gehen.” Dad erhob sich von seinem Stuhl, hielt dabei noch immer ihre Hand. “Na komm, mein Schatz.” 

“Dad!”, rief Chris. So erleichtert und glücklich sie gerade über seine Reaktion war, der schwere Knoten in ihrem Magen wollte sich doch nicht lösen – konnte es nicht. Sie nickte zu Sam, die beide mit großen Augen ansah. Ihre Freundin lächelte sie an, doch das wirkte reichlich erzwungen.

“Ist schon okay, Chris. Mach, dass du aus diesem Höllenloch rauskommst.”

Chris hatte den Einwand schon auf den Lippen, da flog die Tür auf und Mr. Turner stürmte ins Büro. 

“WAS muss ich von dir hören? Du spinnst ja wohl!” Mit großen Schritten eilte er an seine Tochter heran, zerrte sie auf die Füße und ohrfeigte sie, dass es sie sicher von den Füßen gefegt hätte, hätte er sie nicht am Oberarm an Ort und Stelle gehalten. 

Ein Stimmengewirr erfüllte den Raum, Barry, der dazwischen ging, die Direktorin, die schrill Mr. Turners Namen rief, Chris, die außer sich schrie, dass er Sam gefälligst in Ruhe lassen sollte. Es gab ein Handgemenge. Mr. Turner, auf Adrenalin wie ein wilder Stier, zerrte seine Tochter zurück zu sich, diese weinte heftig, was wiederum Chris auf den Plan rief, die sich prompt an seinen Arm hängte und alles gab, seinen Griff zu lösen. 

“Lassen Sie sie LOS!”, hörte sie sich selbst brüllen.

Barry, als einziger noch bemüht um Ruhe, redete auf Turner ein. “Komm schon, Jim. Du bist gerade nicht du selbst. Du musst erst mal runterkommen. Du willst doch nichts Unüberlegtes tun.” 

“Reiß du mal nicht dein Maul auf, Patton! Sag lieber deinem verdorbenen Flittchen von Tochter, dass sie ihre lesbischen Drecksgriffel von meiner Samantha nehmen soll!” 

“Mr. Turner! Ich muss doch sehr bitten! Das hier ist ein Haus Gottes!”, wandte die Direktorin entsetzt ein. 

Chris sah ihrem Vater an, dass er gerade gehörig mit sich kämpfte. Doch wie durch ein Wunder schaffte er es, Ruhe zu bewahren.

“Du lässt sie jetzt sofort los oder ich rufe die Polizei. Hier sind gerade genug Zeugen anwesend, die das alles mitkriegen.” 

Kurz sah Turner zur Direktorin, doch dieser blieb gerade angesichts der Eskalation nichts Anderes als knapp und mit hörbarem Widerwillen in der Stimme zu sagen “Mr. Patton hat Recht, Sir.” 

Turner schleuderte förmlich den Arm seiner Tochter weg und fluchte leise vor sich hin. Chris war jetzt alles andere egal. Sie hatte sich schon viel zu lange zusammenreißen müssen. Sie nahm Sam in die Arme, in die sich diese schluchzend vergrub. 

“Samantha”, sprach Dad sie vorsichtig an, den Kopf leicht zur Seite geneigt. “Du bist volljährig. Du kannst selbst entscheiden, was du jetzt tust. Willst du erst mal mit uns kommen?” 

Sam nickte. 

“Kannst du es aussprechen, Liebes? Tut mir leid, aber das muss sein.” 

“Ja, Mr. Patton. Ich möchte mit Ihnen kommen.” Sam schluchzte eher, als zu sprechen, doch Dad hatte sie offenbar gut genug verstanden. Er nickte. 

“DU HAST JA WOHL…!”, stieß Mr. Turner aus, doch Barry hob die Hand. 

“Nur für’s Erste, Jim. Bis du dich beruhigt hast. Und das musst du echt dringend. Keinen Schritt näher jetzt. Ich bin nämlich sicher, Miss Jones hat bereits den Sicherheitsdienst alarmiert.“ 

Die Direktorin nickte stumm. Ob das wirklich stimmte, würden sie wohl nicht mehr herausfinden. 

Denn glücklicherweise blieb Turner tatsächlich stehen, während die Pattons den Raum verließen, die immer noch heulende Sam im Schlepptau. Er wirkte wie ein angekettetes Raubtier im Käfig. Chris fing noch einmal seinen düsteren Blick ein, bevor sie sich umdrehte. Eines stand fest. Diesen Kerl würde sie nie wieder auch nur in die Nähe ihrer Freundin lassen! 


“Wie bitte? Dios mio, mi amor. Das ist ja schrecklich.” 

Sofìa blickte auf. Gerade war sie dabei, den Tisch für das Abendessen zu decken. Die Pattons hatten sich für heute angekündigt. Doch ihre Mutter lief hektisch im Raum auf und ab, den Telefonhörer ans Ohr gepresst. 

Hoffentlich war niemandem etwas Schlimmes passiert. Moment, hatte sie das gerade wirklich gedacht? Verdammt, die Pattons waren ihr jetzt wohl entgültig ernsthaft ans Herz gewachsen. Selbst Barry. Wie peinlich. 

“Nein, nein, nicht doch. Mach dir deswegen keine Gedanken. Natürlich versteh ich das. Weißt du was? Ich bringe euch etwas vom Abendessen rüber… nein, keine Widerrede. Es ist doch ohnehin gekocht. Te amo. Bis gleich.” 

“Was ist los?”, fragte Sofìa und versuchte angesichts der Umstände den Würgereiz zu unterdrücken, den das dämliche Geturtel ihrer Mutter bei ihr verursachte. 

“Chris ist wohl von der Schule geflogen, weil sie mit ihrer Freundin erwischt wurde, wie sie… nun, der Vater des Mädchens hat komplett die Beherrschung verloren und es kommt nun bei den Pattons unter.”

Oh Gott. Sofìa erinnerte sich an Sams Vater, er war ja schon bei dem Karaokeabend wie ein Hurricane in die Bar gefegt gekommen. Gegen den war Barry ja fast schon zahm. Die Ärmste! Aber immerhin fehlte keinem gesundheitlich was oder so. 

“Sie braucht jetzt auf jeden Fall etwas Ruhe, daher will Barry heute mit den Mädchen daheim bleiben. Ich fahr mal hin und schaue, ob sie ein wenig weiblichen Beistand braucht.”

Mamás Beistand brauchte fürwahr keiner, dachte Sofìa nur, aber sie sparte sich den Kommentar. 

“Mach dir einen schönen Abend, mi vida” Ihre Mutter nahm ihr Gesicht in die Hand und küsste ihr beide Wangen herzhaft ab. “Und sei nett zu deiner Schwester.”

“Das musst du mir nicht extra sagen”, erklärte Sofìa augenrollend. 

“Ja, das sagst du immer.” Mamá nahm den Auflauf aus dem Ofen und gab ein großzügiges Stück davon auf einen großen Teller, den Rest bedeckte sie mit Alufolie und trug das Ganze mit Topfhandschuhen zur Tür.

“Bis später.”

“Bis später”, erwiderte Sofìa und öffnete den Kühlschrank, nahm sich stattdessen den übrig gebliebenen Kuchen vom Vortag heraus. Sie holte sich eine Kuchengabel aus der Schublade und aß noch am Tresen stehend einige Bissen, als sie plötzlich einen mächtigen Knall hörte. Das war von draußen gekommen. 

Alarmiert rannte sie zur Haustür und riss diese auf. Direkt gegenüber sprang gerade Jake aus dem Wagen und fluchte lautstark. Kein Wunder. Die Motorhaube war einmal in der Hälfte eingeknickt, geteilt vom Pfeiler des Briefkastens. Dem von Jakes Familie. 

“Holly!”, hörte sie ihn brüllen. “Nicht! Rückwärtsgang!” 

Nutzte aber nicht viel. Holly, die wohl hinterm Steuer saß, setzte das Auto noch ein Stück nach vorne und der Briefkasten knickte nun endgültig um und krachte auf die Motorhaube. 

“Holly!”, schrie Jake verzweifelt. Holly ließ das Autofenster herunter und schaute mit großen Augen heraus. “Ups”, hörte man sie sagen. Sofìa machte einen Schritt zurück und schloss die Haustür wieder. Die Beobachterposition reichte ihr fürs Erste. Ein kleines Lächeln schlich sich in ihr Gesicht. Mann, so gut hatte sie sich seit Wochen nicht mehr gefühlt… 

21 Kommentare zu „Buße (Truckstop Part 17)

  1. Mit Sicherheit der mit Abstand ernsteste Teil der Reihe. Ohne den kurzen Abstecher zu Familie Valdez und den Auftritt von Holly wäre das Kapitel schon recht bedrückend gewesen. Jetzt bin ich mal gespannt, wie lange Samantha bei den Pattons bleibt. Sofia, Sam und Berry unter quasi einem Dach scheint doch Potential zu haben.

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    1. Ja, da kann ich nur zustimmen. Ich hab sogar versucht, es etwas zu mildern, aber das durchaus dunkle Thema bleibt wohl.

      Oh ja, gerade, da sich Sam und Sofía ein bisschen vom Gemüt ähneln, bietet das Konfliktpotenzial.

      glg

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  2. Also bei dem Satz „Die Ärmste erholt sich noch immer von diesem verstörenden Anblick.” ist mir der Kaffee vor lauter Lachen aus der Nase geflossen 😂

    Jedenfalls bin ich gespannt wie es mit Samantha weitergeht. Barry könnte es durchaus noch bereuen sie aufgenommen zu haben, wenn er erfährt dass sie heimlich als Camgirl arbeitet.

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  3. Wieder eine tolle 👍🥰🥰 Geschichte von dir 👍👍😉.Das beste fand ich das Barry seine Tochter 👱🏻‍♀️ in Schutz genommen hat 👍👍👍 .Bin schon gespannt 🤩 wie es weitergeht in Truck 🚛 Stop.

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  4. Oh Mann. Mir tun Sam und Chris leid. (Noch mehr, in dem Wissen, dass – auch wenn das hier natürlich eine fiktionale Geschichte ist – es tatsächlich Leute gibt, die dasselbe glauben, wie die Schwestern dort. 🤢)

    Barry ist mein HELD! 🤩Sollte ich jemals etwas gegen ihn geschrieben haben, nehme ich es zurück.

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    1. Oh ja… ich hatte diesmal auch eine Menge Mitgefühl. Sie waren zwar leichtsinnig, aber das haben sie nicht verdient.
      Schon gut, er soll sich als Charakter ja auch weiterentwickeln, da ist es vollkommen okay, wenn sich die Meinung über ihn allmählich ändert.#

      glg

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      1. Mir gefällt die Kritik an den Moralvorstellungen der Schwestern. In dieser Geschichte macht Barry eine sehr gute Figur. Wieviele Menschen sind kaputt gegangen weil sie ihre Sexualität nicht ausleben konnten.

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  5. Ernst ist die Geschichte, ja, das kann man nicht abstreiten. Vor allem ist es einfach nach heutigen Maßstäben sehr ungerecht dafür Prügel zu bekommen, wobei ich jedoch glaube, dass es auch bei einem Heteroschülerpärchen nicht so viel glimpflicher abgelaufen wäre, wenn die bei eindeutigen Handlungen angetroffen worden wären. Da ist es eher Sams Vater, dem es eindeutig um die sexuelle Orientierung geht und ich finde es  großartig, dass Barry sich so einsetzt und Sam sogar bei sich aufnimmt.

    Die Hiebe sind halt sehr gelungen beschrieben, sodass man (fast) mitleiden kann, wenn man sich gedanklich darauf einlässt. Besonders treffsicher fand ich auch den Begriff des „Zimmers der Nachdenklichkeit“, der mit einer gewissen bösen Ironie verbirgt, was es wirklich ist und doch wieder so starke Vermutungen aufkommen lässt, was es wahrscheinlich ist. Das schafft genau diese Stimmung beim Lesen, dass man fühlt, dass die Schülerinnen damals wirklich einer gewissen Willkür und dem Meinungsdiktat ausgesetzt waren.

    Und für mich kam mehr noch als durch den Rohrstock selbst, durch die Serien von Ohrfeigen heraus, dass in dieser Einrichtung die Uhren schon länger stehen geblieben waren und darin Dinge geschahen, die es ringsum schon lange nicht mehr gab, als hätte man eine längst vergangene Zeit ins Heute transferiert.

     Ich gebe schon zu, als Lieblingsgeschichte eignet sich diese aufgrund des Inhalts nicht, ist aber dennoch anders und nicht unspannend zu lesen.

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    1. Hey,

      es stimmt schon, dass auch ein Hetero-Pärchen streng bestraft worden wäre, aber das gäbe es in dieser Konstellation ja gar nicht an dieser Schule. Und definitiv haben die Nonnen sich ebenfalls an der Homosexualität gestört, es wurde eben nur subtiler verpackt als von Sams Vater.

      Das Zimmer der Nachdenklichkeit ist innerhalb dieser Story ja bereits etablitert worden 😀 Jetzt ist es eben auch mal wirklich zu sehen gewesen. Tatsächlich ist es ein direktes Zitat aus dem damaligen Sailor Moon Manga und mir ist der Begriff damals beim Lesen so im Kopf geblieben, daass ich ihn aus Spaß mit hier mit eingefügt habe.

      Altmodische Erziehungsmethoden sind da auf jeden Fall an der Tagesordnung, aber ich glaube doch, dass sie diesmal aus Zorn besonders übers Ziel hinausgeschossen sind.

      Freut mich, dass es dir gefallen hat.

      glg

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  6. Unter einem heteronormativen Leitbild geht man natürlich davon aus, an einer geschlechtergetrennten Schule gerade nicht mit Beziehungen unter den Schülerinnen zu tun zu haben. Da fällt einem dann eben die eigene Ignoranz auf die Füße…

    Aber körperliche Züchtigung in der Schule hin oder her – die beiden müssen die einzigen Menschen auf der Welt sein, die nach so viel Zeit an einer katholischen Schule um eine Ausrede verwegen sind, selbst in so einer Situation. Wer soll das denn glauben? 😂

    Von diesem einen total unrealistischen Umstand mal abgesehen aber eine sehr gelungene Geschichte. Spannend wäre, zu erfahren, was denn nun wirklich am schwersten gewogen hat. Dass es auf dem Schulgelände passiert ist, dass sie nicht verheiratet sind, oder dass es zwei Frauen sind? Allerdings war ja absehbar, dass alles davon als Problem angesehen würde, weshalb es fast schon ein wenig überraschend ist, dass Barry erst so einen Vorfall gebraucht hat, um zu verstehen, was er da eigentlich für eine Schule gewählt hat.

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    1. Loool… wohl wahr. Die günstige Gelegengheit zusammen mit Teenagerhormonen ist hier auch nicht zu unterschätzen.

      Wie willst du denn eine Ausrede dafür finden, dass du nackt den Kopf zwischen den Beinen einer anderen Frau hast? XD

      Stimmt aber am Ende des Tages spielt es wohl keine Rolle, weil sie so oder so hart abgestraft worden wären, aber die Mischung aus all dem hat’s wohl gemacht. Ich finde es jetzt gar nicht so überrachend, da es solche Vorfälle ja bisher an der Schule nicht gab. Barry ist ja dennoch eher konservativ und dachte, eine strenge Hand wäre gut für seine Töchter, hat hier aber gemerkt, dass aus Willkür, Zorn und Intoleranz und nicht Konsequenz und Strenge gehandelt wurde, wie es ja auch sein Credo ist.

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      1. Nichts leichter als das:

        Nun, sehen Sie, dafür gibt es natürlich eine ganz harmlose Erklärung. Nach dem Unterricht wollte ich mir noch ein wenig die Beine vertreten und schlenderte durch den Korridor im obersten Stock. Da bemerkte ich Sam, die neben der Leiter zum Dachboden stand und die mich bat, ihr zu helfen, ein altes Gips-Skelett aus dem Biologie-Raum auf den Dachboden zu tragen.
        Gemeinsam schafften wir es, das Modell über die Leiter auf den Dachboden zu tragen. Jedoch hatte der Hausmeister dort oben ein Fenster offengelassen, sodass nun ein scharfer Windstoß durch die offene Luke fegte und uns dabei die ohnehin sehr luftig geschnittene Uniform samt Unterwäsche vom Leib riss.
        Vor lauter Schreck über unseren gegenseitigen Anblick ließen wir das Skelett fallen, welches dadurch in eine Million Teile zersplitterte. Sam machte daraufhin einen gewaltigen Satz, wobei sie ausrutschte, hinfiel, und eine Kontaktlinse verlor.
        Hilfsbewusst, wie wir ja untereinander sein sollen, habe ich also angeboten, die Kontaktlinse für sie zu suchen und dabei sorgfältig den ganzen Boden um Sam herum abgesucht. Dabei passierte es dann, dass ich mit den Fingern über einen rostigen Nagel rutschte, woraufhin ich reflexartig die Hände hochriss und – so muss ich leider sagen – unglücklicherweise mit meinem Gesicht genau auf Sams Schambereich gefallen bin.
        Durch meinen überraschten Ausruf ob meiner Verletzung ergab es sich auch, dass ich dabei bereits meine Zunge weit ausgestreckt hatte. Überfordert mit der neuen Situation, in der ich mich nun befand, versuchte ich, eine Entschuldigung zu formulieren, was zwangsläufig dazu führte, dass ich sowohl meine Zunge als auch meinen ganzen Kopf an einer – wie ich nun rückblickend sagen muss – ungünstigen Stelle bewegt habe, was möglicherweise dazu geführt haben könnte, dass entsprechende erogene Zonen – wenn auch unbeabsichtigt – zuverlässig stimuliert wurden und daher bei Sam entsprechende Reaktionen hervorgerufen haben, was dann wiederum Schwester Esther gehört hat und die Situation – verständlicherweise – für etwas gehalten hat, das gar nicht passiert ist.
        Sie sehen also, dass überhaupt nichts Bedenkliches passiert ist und ich wäre Ihnen allen dankbar, wenn wir diese Angelegenheit damit auf sich beruhen lassen können. Vielen Dank für Ihr Erscheinen, ich werde keine Fragen beantworten.

        Ob das dann jemand glaubt, ist noch mal eine andere Sache. Aber wenigstens muss man es versuchen. Schritt 1 ist immer leugnen, leugnen, leugnen, und wenn die Beweise zu drückend sind, einfach ein Gegennarrativ aufbauen.

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